Wald in Multicolor | © Norbert Karlsböck
Der Gletscher.
Wald in Multicolor

Durch Wiederaufforstungsprojekt: Indian Summer-Feeling rund ums Kitzsteinhorn  

Wer sich im Herbst zu seinen ersten Schwüngen im Gletscherschnee aufmacht, bekommt ein wunderbares optisches Kontrastprogramm geliefert. Unten im Tal leuchtet der Wald in allen warmen Herbstfarben. Ein buntes Farbenspiel, das oben am Gletscher von winterlichem Reinweiß abgelöst wird. Die Ursache für das heute von vielen genossene Indian Summer-Feeling im Kaprunertal liegt 20 Jahre zurück und war weit weniger schön: „Uschi“. Ein verheerender Föhnsturm im Jahr 2002, der zu diesem einzigartigen Wiederaufforstungsprojekt führte.

Das Kaprunertal im Indian Summer | © Edith Danzer ©Edith Danzer
Der Schutzwald oberhalb von Straße und Parkplätzen ist wieder intakt und leuchtet bunt. 

Verheerender Föhnsturm

„Uschi“ zog mit verheerender Auswirkung am 20. November 2002 über den Pinzgau. Der Föhnsturm mit Windspitzen von über 200 km/h sorgte unter anderem auch für enorme Waldschäden im Pinzgau. Fichten knickten um wie Streichhölzer. Und nach „Uschi“ folgte der Borkenkäfer, dem viele weitere Bäume zum Opfer fielen. Eine Ausgangslage, die für alle Beteiligten – Forstwirtschaft, Jagd und Tourismus – ein rasches Handeln forderte. So kam es zu einem Schulterschluss zwischen dem Grundstücksbesitzer Jagd- und Forstbetrieb Fischhorn und den Gletscherbahnen um die entstandenen Kahlflächen dem Klima angepasst wiederaufzuforsten.

Multi statt Mono

Josef Zandl ist Gutsverwalter am Gut Fischhorn, neben Bundesforste und privaten Waldbesitzern der größte Grundstückseigentümer rund ums Kitzsteinhorn. Der Land-, Jagd- und Forstwirt erinnert sich noch gut an die Naturkatastrophe: „In kürzester Zeit wurden Schutzwälder zerstört. Wir haben eine große Artenvielfalt in unseren Wäldern. Rehe, Hirsche, Gämsen, Eulen, Uhus, Adler und Spechte hatten durch den Windwurf ihren Lebensraum verloren. Eine Sanierung des Waldes parallel zu den Aufräumarbeiten war oberstes Gebot. Größere Sturmereignisse kommen in unseren Breiten immer schon in periodischen Abständen vor - darauf wurde diesmal bei der Sanierung Rücksicht genommen. Anstatt der vorherrschenden Fichten-Monokulturen wurden für die Wiederaufforstung verschiedene, dem Standort angepasste, Baumarten verwendet.“ Dabei wurde vor der Wiederaufforstung eine umfassende Bestandsaufnahme gemacht, welcher Standort welche Bäume verlangt. Josef Zandl erklärt: „In Schneisen mit Steinschlag sind Laubbäume besser als Fichten, denn wird die Rinde der Fichte verletzt, fault und bricht sie. Ein Bergahorn aber kann selbst mit einer verletzten Rinde noch 300 Jahre alt werden. Laubbäume sind zudem, sobald sie ihr Laub abgeworfen haben, nicht mehr so anfällig für Herbststürme. Fichten jedoch eigenen sich perfekt für steile Hänge mit Lawinengefahr, da ihre dichte Baumkrone den frisch gefallenen Schnee vom Boden fernhält, der dann verdichtet abfällt. So wurde das Gelände noch während der Beseitigung des Schadholzes genau betrachtet und mit wissenschaftlicher Unterstützung der BOKU Wien festgelegt, welche Baumarten sich an welcher Stelle eignen

 

Unser Betrieb sah schon bald in dieser Naturkatastrophe eine Chance, einen Wald zu schaffen, der besser an die aktuellen Bedürfnisse des Tals angepasst ist.

Josef Zandl, Gutsverwalter Gut Fischhorn
Im Schutz liegengelassener Baumstämme und Wurzelstöcke hat sich ein bunter Mischwald entwickelt | © Josef Zandl ©Josef Zandl
Im Schutz liegen gelassener Baumstämme und Wurzelstöcke hat sich ein bunter Mischwald entwickelt

Verjüngungskur und Setzlinge

Wenn die Bereiche Jagd, Forst und Tourismus zusammenarbeiten, fließen unterschiedliche Interessenslagen zusammen. Auf der einen Seite braucht es ruhige Rückzugszonen für das Wild, auf der anderen Seite soll junger Wald aber vor Wildverbiss geschützt und der Schutzwald für touristische Infrastruktur, wie Liftstationen und Straßen, gestärkt und die Erholungsfunktion für alle Wanderer und Naturliebhaber wiederhergestellt werden. Doch mit diesem Wiederaufforstungsprojekt, bei dem alle zusammen an einem Strang zogen, konnten die Kräfte gebündelt und ein umfassender Erfolg erzielt werden. Mit der Gründung des Schutzwaldpflegevereins Kaprunertal startete das Projekt in die Umsetzung. Josef Zandl erinnert sich: „Rotwild schält bei Stress oder Nahrungsknappheit im Winter Bäume, die dadurch einen Wachstumsschaden erleiden oder sich mit Pilzen infizieren und faulen. Um das Rotwild also fern vom Schutzwald in geeigneten Abschnitten zu halten, förderten wir dort verstärkt das Aufkommen von Vogelbeere oder Saalweide. Beides forstlich wenig interessante, aber beim Rotwild sehr beliebte Bäume. Nicht überall mussten Bäume mit Setzlingen neu gepflanzt werden. Über die natürliche Verjüngung des Waldes achteten wir darauf, dass natürlich angesiedelte Bergahorne, Buchen, Bergulmen, Eschen, Birken und Grauerlen genug Licht und Freiraum zum Wachsen hatten. Mit jagdlichen Maßnahmen lenkten wir das Rotwild von wichtigen Schutzwäldern ab und die jungen Bäume wurden zusätzlich vor Verbiss geschützt.“ Ganz oben in steilen Gebieten wurden die Stämme umgeknickter Bäume quer zum Hang belassen. Josef Zandl erklärt den Grund: „In der Natur wachsen junge Bäume um einen toten Baum oder Wurzelstock besser, da sie von diesem geschützt werden. In diesen ,Rotten‘ entwickeln sich die Jungbäume in der Mitte besser, da diese wiederum von den umstehenden Jungbäumen vor Witterungsextremen geschützt werden. Das wurde simuliert, indem wir Baumstämme schälten und vor Ort beließen und darum junge Bäume entweder gepflanzt wurden oder sich natürlich selbst ansiedelten.“

Hier hat sich eine Rotte gebildet. | © Josef Zandl ©Josef Zandl
Eine Rotte hat sich gebildet und so bieten sich die Bäumchen gegenseitig Schutz gegen Klimaextreme und Schneeschub. 

Chancen durch Sturm

Neben der geförderten, natürlichen Verjüngung des Waldes, wurden auch unzählige Setzlinge in das Kaprunertal gebracht. Bei Begehungen wurden die einzelnen Standorte der Wiederaufforstung markiert und in Raster eingeteilt. Mit Pflöcken unterschiedlicher Farbe wurde die zu pflanzende Baumart festgelegt – ein roter Pflock bedeutete, dass an dieser Stelle Lärchen verpflanzt werden. Das Team setzte in diesem Raster dann 30 Setzlinge mit ausreichend Freiraum dazwischen für weitere Verjüngung.“ Ein echter Knochenjob für die Mitarbeiter, die sich mit Setzlingen und Werkzeug durch sehr steile Gebiete kämpfen mussten.

Josef Zandl erklärt: „Unser Betrieb sah schon bald in dieser Naturkatastrophe eine Chance, einen Wald zu schaffen, der besser an die aktuellen Bedürfnisse des Tals angepasst ist. Ein Wald, der ein stabiles Ökosystem bietet und mit bereitgestelltem Nahrungsangebot fürs Rotwild, durch Laub von Bergahorn oder Esche, auch stabil gegen Wildschaden ist. Überwinterungsgebiete mit Fütterungen und warmen Fichtenwald-Einständen für den Winter wurden dabei ebenso eingeplant. Bei diesem Wiederaufforstungsprojekt ging es nie um Maximierung, sondern um Optimierung für alle Beteiligten aus Forst-, Land- und Jagdwirtschaft und Tourismus. Mit dem Jahr 2023 ist das Sanierungsprojekt abgeschlossen, doch schon zwischenzeitlich zeigten sich erste Erfolge, wie Josef Zandl ausführt: „Durch die wissenschaftliche Begleitung des Projekts durch die BOKU Wien konnten wir im Jahr 2012 feststellen, dass aufgrund des raschen Handelns der Erosionsschutz bereits auf 50 % der Flächen wieder gegeben war. Heute liegen wir bei annähernd 100 %. Während der Wiederaufforstung wurde auch das von Wissenschaftlern und Praktikern ins Leben gerufene dreijährige Forschungsprojekt ,Integrales Rotwildmanagement‘ gestartet, um einen Weg zu finden, das Rotwild für alle Interessensgemeinschaften optimal zu leiten und zu bewirtschaften.“ 

Das zwei Jahrzehnte dauernde Wiederaufforstungsprogramm zeigt sich nun also von Erfolg gekrönt. Und auch das herbstliche Farbenspiel ist durch die Durchsetzung des „neuen“ Waldes mit unzähligen Laubbäumen und Lärchen ein in den Hohen Tauern wohl einzigartiges Naturschauspiel, das jeden Oktober den „Indian Summer“ im Kapruner Tal in den wärmsten Farben erstrahlen lässt.