Landkartenflechte | © Edith Danzer
Flora im MakroBlick

Wir nehmen die Pflanzenwelt rund ums Kitzsteinhorn unter die Lupe

Wenn man genau hinsieht, dann entdeckt man gewöhnlich ungewöhnliches und erstaunliches. Wir waren mit Nationalpark Ranger Werner Schuh auf Expedition bei der Explorer Tour durch vier Klimazonen am Kitzsteinhorn. Und besonders dort, wo man glaubt, es wächst nichts mehr, haben wir den Makroblick ausgepackt.

Werner Schuh ist seit 2011 Nationalpark Ranger und gemeinsam mit Kollegen bringt er Gästen bei geführten Wanderungen die Philosophie und die Flora und Fauna des Nationalparks Hohe Tauern näher. So auch bei den täglichen Explorer Touren am Kitzsteinhorn. Gemeinsam erkundet er mit großen und kleinen Besuchern die Vegetation des gemäßigten Klimas im Tal, bis hinauf in die Tundra und Arktis.

Langwied - der Name kommt von Langer Weide. | © Edith Danzer ©Edith Danzer
Der Langwiedboden - im Sommer blüht es hier in allen Farben. 

Dass im Tal eine wahre Farbenpracht an blühenden Blumen, Bäumen und Büschen explodiert, ist für jeden ein gewohntes Bild. Doch mit jedem Höhenmeter verwandelt sich die Landschaft und wird ein wenig karger, ein wenig spärlicher bewachsen und den Elementen ausgesetzter. Bei einer kleinen Rundwanderung auf den grünen Almböden von Langwied lenkt Werner unseren Blick von der herrlichen Kulisse der Nationalpark Gipfel hinab zu unseren Füßen. Er erklärt: „Hier beginnt die Klimazone der Tundra, wie wir sie etwa in Nordschweden finden. Hier befand sich einmal Meeresboden und der Gletscher reichte vom Zeller See bis Langwied herauf. Wie lange es her ist, dass der Gletscher sich zurückgezogen hat, erkennt man an der Landkartenflechte.“ Er zeigt uns einen unscheinbaren gelben Bewuchs auf den freiliegenden Steinen. „Gletscherforscher errechnen aus der Fläche dieser Flechte, wann der Stein aus dem Eis auftauchte, denn sie wächst nur 0,1 mm pro Jahr.“ Aber auch die giftigste heimische Pflanze, der Tauerneisenhut, oder die mit dem Löwenzahn verwandte Pippau, die Waldrebe und Wollgras wächst auf den Almböden und Sumpfgebieten um Langwied. Was Gin-Liebhaber freut: auch der ”Kranawettn“ – der Wacholder – gedeiht hier oben prächtig. Und die vielen Blüten des Rotklees verraten, wo das Murmeltier sich seinen Winterspeck anfrisst.

Werner Schuh mit der giftigsten heimischen Pflanze - den Blauen Eisenhut | © Edith Danzer ©Edith Danzer
Nationalpark Ranger Werner Schuh erklärt die giftigste heimische Pflanzen - den Blauen Eisenhut

Spezialisten und Überlebensstrategen

Generell müssen hier oben Pflanzen etwas härter im Nehmen sein, denn der Schnee liegt lange, die Nährstoffe im Boden sind geringer und auch im Sommer kann es schnell kalt werden. Die Pflanzen sind Spezialisten und haben eine eigene Überlebensstrategie entwickelt, wie uns Werner Schuh anhand einer besonderen Art der Alpenrose erklärt: „Die bewimperte Alpenrose ist dicht behaart, das hilft ihr – genau wie dem Edelweiß oder den Glockenblumen – in dieser Klimazone zu überleben. Und wie in Nordschweden wächst auch hier die weiße Rentierflechte, die dort den Tieren als Nahrung das Überleben sichert. Werner Schuh lacht und meint: „Rentiere würden sich hier oben wohlfühlen.“

Arktische Klimazone

Vom Alpincenter auf 2.500 m an beginnt die Welt von Eis und Fels. Die Luft ist auch im Sommer spürbar frischer und letzte Schneefelder liegen in den Gräben. Werner Schuh verkündet: „Hier wächst der kleinste Baum der Welt – die Krautweide. Der Stamm wächst in die Erde – so kann er Schnee- und Winddruck überstehen.“ Dort, wo renaturiert wurde, liegen Kokosnetze ausgebreitet, um die frische Saat vor Erosion zu schützen. Auch die Krumm-Segge, die sich selbst klont und so ein paartausend Jahre alt wird, hilft gegen die Erosion. Hier oben beginnt ein sensibler Lebensraum. Oberflächlich betrachtet sieht man nur grauen Fels. Doch mit dem Makroblick erkennt man schnell, auch hier an der Grenze zum ewigen Eis findet man eine wahre Blütenpracht. Wir passen hier besonders auf, wohin wir unsere Füße setzen, um die kleinen Pflanzen nicht zu gefährden. Wir sehen neben Schusternagerl und Flechten auch immer wieder weiße Polster des Steinbrechs. Er ist eine perfekt angepasste Pflanzengattung für diese kalte Klimazone. Er wächst in den Steinspalten, daher auch sein Name, da es oft so aussieht, als ob er den Felsen gespalten hätte. Weiter oben, bis auf 3000 m Seehöhe, gedeiht der seltenere Rudolphi-Steinbrech, der nur ganz kurz im Frühjahr in sattem Lila blüht. Ebenfalls in dieser arktischen Klimazone wächst im Gipfelbereich das ausdauernde Hornkraut.

Kleinstes Alpenglöckchen | © Edith Danzer ©Edith Danzer
Kleinstes Alpenglöckchen - auch kleinstes Eisglöckchen genannt. 

Das Auge ist nun fokussiert auf das Nahe und fast hätten wir die wunderbare Aussicht vergessen. Doch bei einer Einkehr ins Gipfelrestaurant können wir nun wieder den Panoramablick Oberhand gewinnen lassen. Das Kitzsteinhorn schult mit diesen Ausflügen in den sensiblen Bereich des hochalpinen Lebensraums Jahr für Jahr zahlreiche Besucher. Und wer sich seiner Umgebung bewusst ist und um die Herausforderungen in dieser Klimazone weiß, respektiert die Natur und geht achtsam mit Flora und Fauna um. Die Kitzsteinhorn Explorer Tour findet Sommer wie Winter in Begleitung eines Nationalpark Rangers statt.  Kosten für Explorer Tour: € 12,- pro Teilnehmer – exkl. Seilbahnticket – Anmeldung erforderlich